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PERFEKT IST ZU SPÄT!


Kraftvolle Worte, die Christina Richter vom Personal Branding Institut (Berlin) in einem Vortrag in den Raum stellte. Der Perfektionist in mir war sofort hellhörig, hat den Appell aufgesaugt, abgespeichert und ich war in gewisser Weise versöhnt. Es lädt uns ein, das Perfekte im Unperfekten zu finden, dachte ich wieder einmal. Es motiviert, den nächsten Schritt anzugehen, und dabei neugierig und lernoffen zu bleiben. Nicht, weil hohe Qualität plötzlich keine Rolle mehr spielen soll – damit wäre mein Ich kaum einverstanden. Vielmehr, weil Perfektionismus als ein „Symptom“ so viele Verirrungen in unserem Denken und Fühlen widerspiegelt. Sehen wir genau hin, soll der Perfektionist in uns ganz schön viel ausgleichen.


Einer für Alles?

Es gibt Menschen, die immer noch glauben, sie haben als Mensch nur einen ausreichend hohen Wert, wenn sie Leistung auf allerhöchstem Niveau abliefern. Immer. An guten und an schlechten Tagen. Andere wiederum glauben, wenn sich in ihrem Tun Perfektion zeigt, dann werden sie geliebt. Oder zumindest gemocht. Oder sie gehören wenigstens dazu. Dann gibt es jene, die tief in sich die Überzeugung tragen, mit Perfektion können sie den überzogenen Erwartungen ihres Umfeldes erfolgreich trotzen. Auch wenn ihnen eine leise stimme zuflüstert: ‚Es wird nie genug sein‘. Wieder andere schützen sich mit ihrem

Perfektionsanspruch davor, vereinbarte Termine einzuhalten und Ergebnisse sichtbar zu machen, die sie (auch) sichtbar und damit angreifbar machen. Da springen sie lieber kurzfristig ab, als dass sie sich mit ihren „schlechten“ – also unperfekten – Resultaten blamieren. Die Angst vor dem Scheitern, eigene und fremde Erwartungen nicht zu erfüllen, die selbst gesteckten Standards nicht zu erreichen, sich nur geliebt zu fühlen, wenn wir perfekt sind, oder der Wunsch fehlerlos zu sein, obwohl wir uns ständig weiterentwickeln und Neues lernen sollen, kann uns immens unter Druck setzen. Stress machen. Wir fühlen uns unzulänglich, kläglich gescheitert, von wütend bis peinlich berührt, manchmal unzumutbar schlecht, als Mensch zweiter Klasse. Selbst wenn alle in unserem Umfeld der Meinung sind, diese Gefühle sind in Bezug auf unsere erreichten Leistungen völlig unpassend. Wir spüren sie trotzdem in uns, diese giftige Gefühls-Mischung.

Da kann uns die Info „perfekt ist zu spät“ vielleicht einfach kurz innehalten und durchatmen lassen. Um die Situation neu zu betrachten, in der wir uns selbst durch die Perfektions-Brille etwas verloren haben. Um unsere Gedanken und Gefühle realistischer zu ordnen.


Klarheit lässt uns Durchatmen

Sind mir die Unterschiede zwischen meinem Wert als Mensch (Wertschätzung = emotionales Grundbedürfnis) und dem Wert meiner Leistung (Leistungsanerkennung = Grundbedürfnis Entscheiden und Handeln) bereits bewusst? Habe ich gelernt, Leistungsanspruch nicht mit Liebe zu verwechseln? Auch dann nicht, wenn andere es tun? Gelingt es mir, meinen eigenen Wert zu achten?

Ist mir klar, welchen Beitrag ich in meinen unterschiedlichen Lebensrollen leisten will? Und habe ich für mich schon gelernt, dass mein Bestes zu geben ausreicht für den nächsten Ergebnisschritt?

Möchte ich mitgestalten, beitragen, mich weiterentwickeln und lernfreudig Schritt für Schritt im Tun vorankommen? Oder will (muss?) ich anderen beweisen, dass ICH besser bin, MEINE Standards und meine ANSPRÜCHE erst zu ECHTER QUALITÄT führen?


So gut wie du kannst!

Sich Fehler gleich selbst zu verzeihen, das eigene Tun reflektieren und die Erkenntnisse daraus wieder lernfreudig am nächsten Wegabschnitt hin zum Erfolg umsetzen, das holt uns aus der Perfektionsfalle. Ganz im Sinne der Schriftstellerin und Bürgerrechtlerin Maya Angelou: „Mach es so gut du kannst, bis du es besser weißt. Wenn du es besser weißt, mach es besser.“ Der Satz „Perfekt ist zu spät“ wird dabei nicht sofort alles verändern. Doch der Gedanke ist ein wunderbarer Anfang – um die eigenen Denk- und Handlungsmuster neu auszurichten und durch Übung eine entspanntere Gewohnheit zu integrieren. Das Leben wartet nicht auf dich. Auf niemanden.


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